Liebe Mit-LandwirtInnen :),
ich wiederhole diesen vielleicht seltsam anmutenden Begriff in unregelmäßigen Abständen, um ihn zu normalisieren, und selbst von dem Gefühl wegzukommen, wir GärtnerInnen würden Waren produzieren, die wir an Kunden verkaufen. Denn ich werde nicht müde zu betonen: Ihr seid die LandwirtInnen, mit all dem Segen, der Sorge und der Verantwortung. Wir sind eure angestellten GärtnerInnen, die nach all unseren Fähigkeiten in eurem Sinne versuchen das Land zu bestellen. Mit vielfältigen Kulturen, was hoffentlich den Gaumen und das Darm-Mikrobiom, bestimmt aber das Boden-Mikrobiom freut. Und mit ständig viel blühendem Gewächs, was die Insektenvielfalt unterstützt. Und das alles tun wir im Wissen, dass wir zwar ein ums andere Jahr unsicher sind, wer dabei bleibt - aber dass wir damit eine gute Balance zwischen Flexibilität für euch Mit-LandwirtInnen, deren Lebensumstände sich ändern und eine Mitgliedschaft erschweren können, und einer Sicherheit für uns als ArbeitnehmerInnen und das Fortbestehen des Betriebes hinbekommen.
Vielleicht etwas um die Ecke gedacht, aber ebenso wie unser Staatsbürger-sein sich nicht beim Gang an die Urne alle vier Jahre erschöpfen sollte, endet unsere Verantwortung für die Transformation der Lebensmittelproduktion auch nicht bei der Konsumentenentscheidung am Supermarktregal. Wir können mitgestalten, wie eine Landwirtschaft von morgen aussehen soll. Und das tut ihr. Ich bin mal wieder hellauf begeistert von der SoLawi-Idee und von euch, die ihr sie mit tragt. Bleibt uns und euch gewogen!
Das vergangene Jahr hat - wie wir schon verschiedentlich geschrieben haben - Herausforderungen mit sich gebracht. Gerade war ich auf einer Fortbildung - einem Seminar von der Hamburger Biooffensive (eigentlich gedacht für Umstellungswillige, aber es finden sich zu den Vorträgen - je nach Interessenlage - auch immer ein paar "Bios" ein). Thema: Klimawandelanpassung im Biogemüsebau.
Einiges hab ich mitgenommen - viel auch an Unterfütterung dessen, was wir schon tun oder anstreben, mit Daten und Fakten. Aber auch ein paar Ideen bekommen, wie wir mit weniger Bodenbearbeitung (sprich geringerem Verbrauch fossiler Brennstoffe, weniger Störung des Bodenlebens, Intakthaltung der Bodenstruktur) arbeiten können. Gut war es, sich mit anderen auszutauschen, die vor denselben Problemen stehen. Über das richtige Timing, die richtigen Maßnahmen und deren Ausführung. Und es war gut zu sehen, dass wir schon richtige Maßnahmen ergriffen haben: Für eine ständige Bodenbedeckung, -beschattung, -durchwurzelung sorgen, mit Mulch und Untersaaten. Damit schützen wir den Boden vor Verschlämmung, Erosion, machen ihn zu einem belebten Raum, der nicht wahnsinnig hohen Amplituden von Feuchte/Trockenheit und Kälte/Wärme ausgesetzt ist. Die Bodenbedeckung dämpft alles ab. Außerdem trägt der Mulch oder besonders die Wurzelmasse von Untersaat zur Humusmehrung bei. Das ist alte Credo des bio-organischen Anbaus. Humusmehrung. Humus ist Besiedelungsraum für das Bodenleben, ist Nahrung für Bodenleben und über diese auch für die Pflanzen, ist Strukturgeber und damit Wasserspeicher, ist Nährstoffspeicher. Aber der Humus ist in Gefahr. Die Klimakrise betrifft auch den Auf- und Abbau des Humus im Boden. Je wärmer es wird, desto mehr Humus wird umgesetzt und verpufft als CO2 und Wasser. Eine Abwärtsspirale: Wärme --> Humuszehrung --> geringere Produktivität --> weniger Vegetationsdichte --> weniger Wurzelausscheidung--> weniger Bodenleben --> Verlust an Humus.
Daneben wurden andere Effekte der Erd-Erhitzung auf den Gemüsebau besprochen (die wir zum Teil schon zu spüren bekommen haben):
Fehlender Kältereiz im Herbst: Blumenkohl bildet keine voluminösen Köpfe. Pollen trocknet ein und führt zu Bestäubungsproblemen bei Fruchtgemüse (Tomaten, Auberginen, Gurken, Zucchini) Fruchtabwurf aufgrund von Hitzestress erschwerte Frischhaltung von Gemüse, das eigentlich bei niedrigen Temperaturen geerntet werden muss (Morgens schon 20°C im Sommer) schwieriges Anwachsen von Pflanzungen Keimprobleme bei Aussaaten Niedrigere Erträge bei unzureichender Wasserzufuhr aufgrund ausbleibender Sommerniederschläge Wärmeliebende Gemüsekrankheiten, Schädlinge, Beikräuter nehmen zu.
Erschreckend, zu hören was alle anderen für Probleme haben. Absurderweise gut, nicht allein zu sein.
Und - frei nach der TAZ - was macht die Bewegung?
In diesem Sinne
Inga